Momentan häufen sich die Berichte, dass der Touchscreen des iPhone 6 bzw. iPhone 6+ nicht bedient werden kann bzw. graue Streifen angezeigt werden. Dabei ist das Display nicht beschädigt oder grade erst ausgetauscht worden. Dennoch tritt der Fehler auf. iDoc klärt über die Ursache auf und zeigt, wie das Problem gelöst wird.
Das Jahr 2014
Sowohl das iPhone 6 als auch das iPhone 6+ stammen aus dem Jahr 2014. Die Geräte hatten keinen guten Start aufgrund des “Bendgate”. Die Presse berichtete, dass die Gehäuse, vor allem das des iPhone 6+, verbogen werden können, wenn man sich mit dem Gerät in der Hosentasche hinsetzt. Die Gehäuse mussten ausgetauscht werden und das Problem schien behoben. Doch jetzt, zwei Jahre später, treten gehäuft Probleme mit dem Touchscreen und grauen Streifen auf dem Display auf.
Da wir das Problem nicht nur beim iPhone 6 und 6+, sondern auch bei allen Vorgängern ab dem iPhone 5G beobachtet haben, sehen wir keinen bedingten Zusammenhang zum Bendgate. Die Ursache ist hier immer die Gleiche. Dazu später mehr.
Die zwei Verursacher
Das Display besteht aus vier Teilen: Glasscheibe, LCD, Hintergrundbeleuchtung und Touchscreen. Sie sind durch UV-Kleber zu einer Einheit verklebt und über die Flexkabel mit dem Logicboard verbunden. Auf dem Logicboard werden die Signale von mehreren ICs (integrated circuit – integrierter Schaltkreis), die für die jeweilige Aufgabe spezialisiert sind, verarbeitet.
Der Touchscreen und dessen Daten werden von zwei Bausteinen aufgenommen und verarbeitet. Sie werden bei der 6er Serie (Abb. 1 und Abb. 2) als U2401(Cumulus) und U2402(Meson) bezeichnet. Beide ICs werden in einem Package (Chipgehäuse) gefertigt, die man allgemein als BGA (ball grid array – Kugelgitteranordnung) bezeichnet. Die Chipgehäuse sind so aufgebaut, dass sich alle Lötkontakte auf der Unterseite des Bauteils befinden. Dabei sind sie wie ein Gitternetz (Abb. 4, Abb. 6 und Abb. 7) angeordnet. Bei den anderen iPhones heißen die beiden Chips übrigens U12 und U14 bzw. U15.
Der Schaden entsteht
Die Bauteile besitzen viele Funktionen und benötigen somit viele Anschlüsse. Da besonders bei Smartphones kein Platz vorhanden ist, wird immer weiter miniaturisiert. Die ständige Verkleinerung führt zu ebenfalls kleineren Anschlüssen und Lötstellen. Lötzinn ist darüber hinaus ein sprödes Material und eignet sich zwar gut, um kurze Strecken zwischen zwei soliden Leitern zu überbrücken und elektrisch zu verbinden. Jedoch ist Lötzinn kein Freund von mechanischen Einwirkungen. Die Lötstellen können bei Stößen brechen oder reißen. So entsteht ein Wackelkontakt.
Wird die Platine gebogen oder das Gerät stürzt und kommt hart auf, belastet das die Lötstellen zwischen Platine und Bauteil so stark, dass die Lötstellen nachgeben und brechen. Auch wenn jetzt dein iPhone trotz Sturz weiterhin funktioniert und die genannten Fehler nicht sofort auftreten, ist es vorgeschädigt und kann in der nächsten Zeit oder viel später ausfallen. Die beiden Flächen der Bruchstelle werden mit der Zeit oxidieren und somit immer schlechter einen Kontakt bzw. keinen Kontakt herstellen können.
Funktion wiederherstellen
Die Reparatur kann auf drei Wegen durchgeführt werden:
- Entweder man erwärmt die beiden Bauteile für eine gewisse Zeit, um die vorhandenen Lötstellen aufzuschmelzen und neu zu verbinden.
- Genauso ist es möglich die beiden Bauteile zu entfernen, neu zu verzinnen (reballing) und dann wieder zu verlöten.
- Wer ganz sicher sein will, dass auch die Touchscreen ICs nicht defekt sind, kann diese entfernen und durch neue ersetzen.
Wir haben bei unseren Kunden festgestellt, dass es bisher selten nötig war, die Bauteile zu ersetzen oder zu reballen. Einen Großteil der iPhones konnten wir reparieren, indem wir die erste Methode gewählt haben. Das Erwärmen und Aufschmelzen der Lötstellen.
Benötigt wird
Bevor die Reparatur beginnen kann, muss du die folgenden Utensilien bereitstellen:
- Heißluft mit großer und feiner Düse, 500°C
- Pinzette
- Platinenhalter
- Aluminiumklebeband
- Flussmittel
- Skalpell
- reinen Alkohol, Isopropanol >96%
- Pinsel
- Stofftuch oder Haushaltstücher
- Druckluft
Wer die Bauteile ersetzen möchte, benötigt die folgenden Bauteile für das iPhone 6 und 6+:
- 1 x U2401: CUMULUS-C1, APN 343S0638
- 1 x U2402: MESON-A1, APN 343S0694
Für das iPhone 5c und 5S werden die Bauteile benötigt:
- 1 x U12: CUMULUS-C1, APN 343S0638
- 1 x U15: SAGE2-C06, APN 343S0645
Für das iPhone 5G werden die Bauteile benötigt:
- 1 x U12: CUMULUS-C0, APN 343S0574
- 1 x U14: SAGE2-B05, APN 343S0617
Vorbereitung
Das Verfahren beginnt für alle drei Methoden gleich. Zuerst muss die Platine ausgebaut werden. Wie du das Logicboard entfernst, kannst du in unseren Anleitungen bei dem jeweiligen Gerät unter dem Punkt “Ausbau des Logicboards” finden:
Nachdem du die Hauptplatine entfernt hast, musst du diese evtl. für den Lötvorgang vorbereiten:
- Entferne alle Schutzfolien, Schaum und Etiketten
- Löse alle Antennenleitungen und sonstige Steckteile
- Entferne, ggfs. die metallischen Hauben von der Platine, unter denen sich die beiden Touch-ICs befinden. Beim iPhone 6 und 6+ muss lediglich eine schwarze Folie entfernt werden, um die beiden Bauteile freizulegen.
Spanne deine Platine in den Platinenhalter ein. Schütze Kunststoffteile bei Bedarf mit dem Aluminiumklebeband. Stelle dein Heißluftgerät auf maximalen Luftstrom und maximale Temperatur. Führe die Heißluft mit der großen Düse über die Abschirmhaube, die du entfernen willst. Nutze die Pinzette, um mit wenig Kraft an der Haube zu ziehen.
So viel Kraft wirst du aber nicht benötigen. Das entscheidende ist hier die Temperatur. Erwärme die Platine gleichmäßig und ganzflächig. Durch die starke Erwärmung dehnt sich das Metall der Haube aus. Wenn sich die ersten Lötstellen verflüssigen, hörst du anhand eines leichten Knacken, dass sich die Haube entspannt. Abhängig von der Haubengröße, sollte sich diese jetzt schrittweise bzw. ganz abheben lassen.
Touchscreen wiederherstellen.
Um die zwei Chips nachzulöten, musst du folgende Schritte durchführen:
- Spanne deine Platine in den Platinenhalter ein.
- Bestreiche die beiden Touchscreen ICs mit Flussmittelpaste. Flussmittel geht hier auch, ist jedoch wesentlich flüchtiger und dessen Effekt hält nicht so lange vor. Das Flussmittel löst die Oxidation von den Oberflächen und lässt das Lötzinn bei niedrigerer Temperatur flüssig werden.
- Erwärme mit der feinen Düse auf die Chips gerichtet die Bauteile für 30-60 Sekunden. Führe die Düse dabei kreisend über die Bauteile, damit die Energie gleichmäßig verteilt wirkt und du die Bauteile bzw. Platine nicht verbrennst. Du solltest dabei einen mittleren Luftstrom und eine Temperatur von 370°C wählen. Es ist jedoch von Station zu Station anders und erfordert etwas Erfahrung und Übung.
- Sollten die beiden Bauteile mit einer transparenten oder schwarzen Klebemasse vergossen sein, kannst du die Bauteile gleichzeitig mit der Pinzette etwas gegen die Platine drücken.
- Ist die Zeit um, lasse die beiden Bauteile abkühlen. Drücke dabei weiter mit der Pinzette auf die Bauteile.
In den meisten Fällen ist die Reparatur erfolgreich und die Bauteile brauchen nicht ausgetauscht zu werden. Sollte das doch nötig sein, ist der Vorgang ähnlich. Jedoch werden die Bauteile bei der Erwärmung vorsichtig von der Platine gehoben, sobald sie auf dem Lötzinn schwimmen. Das sogenannte Schwimmen lässt sich feststellen, indem man immer wieder mit der Pinzette gegen das Bauteil tippt. Wenn es sich bewegt, schwimmt es auf dem Lötzinn und kann von der Platine entfernt werden.
Jetzt müssen die Lötstellen auf der Platine mit Lötlitze und einem Lötkolben gereinigt werden, damit das neue bzw. neu verzinnte Bauteil eben aufgelegt und verlötet werden kann. Dabei muss natürlich immer auf die Polung des Bauteils geachtet werden.